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„Rassismus hat bei uns keine Chance“

So positioniert sich der Gevelsberger HSG-Manager Christof Stippel gegen Fremdenfeindlichkeit.

Derzeit gibt es viele Aktionen im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“. Aktionen, die ausdrücklich vom Westfälischen Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) unterstützt werden. Unvermittelt sind die Handballerinnen und Handballer angesprochen. Ein anonym verfasster Brief hat zum Inhalt, dass Handball-Bundestrainer Alfred Gislason aufgrund seiner isländischen Herkunft von seinem Amt zurückzutreten habe. Das ruft die heimischen Handballerinnen und Handballer auf den Plan, sie bekennen sich zum Nationaltrainer und ausdrücklich gegen den in dem Brief geäußerten Rassismus. Wir sprachen darüber mit Christof Stippel, Manager und Vorstand der HSG Gevelsberg-Silschede.

Herr Stippel, was war Ihre erste Reaktion, als Sie von diesem Brief gehört haben?

Christof Stippel: Ich war und bin entsetzt, dass dieser Brief geschrieben wurde. Es stellt sich die Frage, ob man dazu schweigen soll oder ob man dazu Stellung beziehen soll. Ja, vielleicht sogar muss.

Ihre Entscheidung?

Wehret den Anfängen. Wir müssen uns klar positionieren und klar machen, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit keine Chance bei uns haben.

Ist der Rassismus beziehungsweise die Fremdenfeindlichkeit ein Thema im Handball? Insbesondere im Handball von Gevelsberg, Schwelm und Ennepetal?

Wir leben nicht auf einer Insel der Glückseligen. Auch der Handball ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Eine Fremdenfeindlichkeit gibt es latent in unserer Gesellschaft, wie übrigens auch in denen anderer Länder. Also auch im Handball. Allerdings beziehen wir klar und früh Stellung, so dass diese Feindseligkeit erst gar nicht ausgesprochen werden und sie zum Tragen kommen kann.

RE Schwelm und CVJM Gevelsberg haben früh auf Facebook Stellung bezogen. Wäre das auch eine Form Ihres Vereins?

Ich finde das gut und begrüße diese Stellungnahmen sehr. Wir diskutieren das gerade intern und werden uns äußern.

Die HSG hatte zu der Zeit der Flüchtlingskrise vor gut fünf Jahren ein Zeichen gesetzt, indem Sie Flüchtlinge zu Heimspielen eingeladen hatten. Gab es da negative Äußerungen?

Nein. Mir ist da nichts bekannt. Unsere Stammzuschauer haben die Syrer, die in erster Linie zu uns kamen, um sich den Handball anzuschauen, offen und mit Freude empfangen. Überhaupt ist mir Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fremd, ist mir das im Handball nicht unter gekommen.

Worauf führen Sie das zurück?

Wie gesagt beziehen wir früh und deutlich Stellung. Nicht nur in Sachen Migration, sondern überhaupt in Sachen Respekt und Anerkennung der anderen Menschen.

Meinen Sie gegenüber gegnerische Spielern und Spielerinnen, Schiedsrichtern und den Fans der gegnerischen Mannschaften?

Genau! Es ist der Respekt des Anderslebenden. Ob er oder sie in einer anderen Mannschaft spielt, eine andere Mannschaft anfeuert. Dazu gehört aber auch, wie die Lebensform der anderen ist. Egal, ob schwul oder lesbisch, auf den Menschen kommt es an. Ich beobachte im Handball einen sehr liberalen Umgang mit Gegner oder Schiedsrichter. Auch wenn es in manchen Szenen sehr laut, hektisch und teils auch aggressiv wird. Doch nach dem Spiel ist das vergessen.

Dabei gelten Handballerinnen und Handballer im Spiel nicht gerade als zimperlich. Zeitstrafen und Feldverweise gehören zum durchaus körperbetonten Spiel. Können so nicht Aggressionen ausgelöst werden, die auch nach einer Begegnung anhalten?

Ja, im Spiel schenkt sich kaum eine der anderen und einer dem anderen etwas. Doch selbst bei Vergehen, die zu diesen persönlichen Strafen führen, sind die entsprechenden Übeltäterinnen und Übeltäter schnell einsichtig und entschuldigen sich bei der gegnerischen Spielerin oder beim gegnerischen Spieler. Das gilt übrigens auch dann, wenn beispielsweise beim Strafwurf der Ball zu nah am Kopf der Keeperin oder des Keeper geworfen wird. Ein Entschuldigung folgt sofort. Meistens jedenfalls.

Steht das im Gegensatz zu anderen Sportarten?

Neben dem Handball ist meiner Einschätzung nach auch im Basketball oder Volleyball diese Fremdenfeindlichkeit nicht oder kaum ausgeprägt. Eher im Fußball. Wobei es dort allerdings auch starke Kräfte gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gibt. Ein Beispiel ist der Bundesligist Eintracht Frankfurt, der diese Toleranz in seinen Statuten aufgenommen hat.

Sind solche Statuten als Signal auf für die HSG Gevelsberg-Silschede vorstellbar?

Auf jeden Fall sollten wir darüber nachdenken, ob bei unseren Stammvereinen SE Gevelsberg und TV Silschede solche Statuten gegen Feindseligkeiten und für Toleranz aufgenommen werden können und sollen. Auch kann ich mir bei Gelegenheit gemeinsame Aktionen mit unseren befreundeten Handballvereinen im Kreis und darüber hinaus gut vorstellen.

Der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen unterstützt die gerade laufenden Aktionswochen gegen Rassismus. Beispielsweise zählen zu den Aktionen besondere Trikots, mit denen die Sportlerinnen und Sportler klar Stellung beziehen können. Wäre für Sie das auch im Handball vorstellbar?

Ja und nein. Ich würde jetzt nicht eigens dafür Trikots anschaffen und beflocken. In der derzeitigen Zwangspause durch Corona haben wir kaum die Möglichkeit, uns damit zu präsentierten. Aber es ist durchaus eine gute Idee, für die kommende Spielzeit beziehungsweise kommenden Spielzeiten auf unseren Trikots entsprechende Botschaften zu präsentieren.

Apropos Spielzeiten. Glauben Sie, dass die HSG Gevelsberg-Silschede in der Verbandsliga noch um Punkte spielen wird?

Wir haben ja signalisiert, dass wir an einer Meisterrunde teilnehmen würden. Ich bezweifele allerdings, dass diese auch tatsächlich ausgetragen werden kann. Wir brauchen vier Wochen Vorbereitung, um in eine wie auch immer organisierte Meisterschaft eintreten zu können. Wir müssten ab Anfang April trainieren, um ab Anfang Mai eine Meisterrunde bestreiten zu können. Aufgrund der aktuellen Entwicklung der Inzidenzzahlen sehe ich das mehr als kritisch.

Grundsätzlich wäre eine Meisterrunde möglich? Was wäre noch nötig außer eine entsprechende Vorlaufzeit?

Ich würde mich freuen, wenn es eine Meisterrunde geben würde. Wir brauchen den Sport. Ich halte Schnelltests für probate Mittel, um mit so wenige Risiko wie möglich Spiele bestreiten zu können. Dann hätten wir zwar die Spiele, aber die Zuschauer-Frage wäre dann noch nicht gelöst.

 

Bericht: Heinz-G. Lützenberger, Westfalenpost
Bild: Repro: Heinz-G. Lützenberger / WP

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