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Cramer zeigt Höchstleistung am Spielfeldrand

Björn Cramer ist die Stimme, die die Zuschauer der Heimspiele der Handballer von der HSG Gevelsberg/Silschede mit Infos versorgt

Es ist ja schon eindeutig, wer einen Strafwurf zugesprochen bekommt. Zu erkennen ist der Schütze, auch der Keeper. Doch Björn Cramer setzt noch einen drauf. Der Hallensprecher des Handball-Verbandsligisten HSG Gevelsberg-Silschede lässt Musik ertönen – bei eigenen Siebenern ist es das „James Bond“-Thema. Klar, es soll aufbauend wirken. Der Gegner soll irritiert werden – mit der Musik von „Mission Impossible“.

Das sind nur zwei der Gimmicks, die Björn Cramer drauf hat. Denn der Gevelsberger Handballer sagt nicht nur die Torschützen im Laufe der Spiele an – sowohl die der heimischen HSG als auch die der jeweiligen Gegner. Nein, denn er hat auch für jeden der Gevelsberger Spieler einen passende Song parat. Björn Cramer spielt diesen kurz nach dem erzielten Tor ab. Bisher war es im Schnitt gut 30-mal pro Partie in der Halle West, die die heimischen Spieler erzielten. 368 Treffer in zwölf Begegnungen in der Halle West. Und am Sonntagabend ab 18 Uhr werden weitere hinzu kommen. Das Hinspiel in Dortmund verlor die HSG im Januar mit 25:28.

Routine sorgt für Perfektion

Dabei hat der 27-Jährige sich die Musik nicht selbst ausgesucht. „Die Spieler äußern die Wünsche, was ich spielen soll“, erzählt der Gevelsberger. „Und meistens ist das auch zu realisieren.“ Schließlich kann Cramer nicht jede Musik für die Halle nutzen. Urheberrechte beispielsweise könnten dies verhindern. „Die Songs müssen offiziell abrufbar sein.“ So spielt Björn Cramer beispielsweise ausschließlich Musik, die er legal aus dem Netz herunterladen kann.

Dabei hat Leo Stippel seinen Song stets beibehalten, seit er im Laufe der Oberliga-Saison 2013/2014 zu den Gevelsbergern stieß. „Steh auf, mach laut“ von der Kölner Combo „Höhner“ erklingt, trifft der Rechtsaußen. Beispielsweise auch nicht verändert hat Routinier Christian Pottkämper nach seiner Rückkehr aus Schalksmühle-Halver sein Lied. Konstant wie auch außergewöhnlich erklingt es bei einem Treffer des Rückraumspielers – „Warum bin ich so fröhlich“ heißt es dann. Herman van Veen hat es gesungen, und es war eine der Erkennungsmelodien der Zeichentrickserie „Alfred J. Kwak“ aus den 1990er Jahren.

„Das macht schon Spaß, fordert aber auch, den richtigen Titel parat zu haben“, so Björn Cramer, der mit Hilfe seines Laptops die Musik in die Gevelsberger Halle West bringt. Verspielt hat sich der Hallensprecher eigentlich nie, allenfalls kam er mal ein wenig zu spät mit einem Lied – was denn aber auch dem hohen Tempo des jeweiligen Spieles geschuldet ist. „Irgendwie habe ich die Performance im Laufe der Zeit perfektioniert“, sinniert Cramer. Was übrigens auch für die Ansagen gilt. Die größer gewordene Routine ist unverkennbar. Doch auch heute noch gilt: „Es ist schon eine Herausforderung, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Musik zu spielen.“

In seinen Anfangszeiten herrschte in ihm schon eine gewisse Portion Nervosität – die er allerdings gut zu überspielen wusste. Begonnen hat Björn Cramer vor sechs Jahren als Hallensprecher. Thorsten Stephan, seinerzeit Trainer der Gevelsberger Landesliga-Damen, zusammen mit Spielerin Eva Hark hatten ihn gebeten, das Mikro in die Hand zu nehmen, um die eine oder ander Ansage bei den Spielen zu machen.

Inzwischen ganz nah am Spielfeld

Ein Jahr später hatte er die ersten Sprechversuche bei den Oberliga-Herren. Zusammen mit Thorsten Vogel, der bisher die Ansagen machte – zu Beginn des Spiels, zu den Toren und Torschützen. Und Björn Cramer kam schließlich auf die Idee, auch die einzelnen Spieler bei den Treffern mit einem Song zu bedenken.

Zunächst hatte er seinen Platz im Regieraum oberhalb des Parketts. Mittlerweile steht er mit seiner Anlage fast unmittelbar am Spielgeschehen. Da bekommt er die Atmosphäre besser mit, kann schneller reagieren. Allerdings hat er es hierbei mit einer neuen Herausforderung zu tun: „Weil ich das Gesprochene erst wenige Sekunden später durch den Lautsprecher höre, als ich es gesagt habe“, so Björn Cramer, der allerdings auch diese akustische Hürde elegant umschifft.

Eine weitere Herausforderung an der „Seitenlinie“ ist, seine Meinung über die jeweiligen Entscheidungen der Schiedsrichter zurück zu halten. Im „Glaskasten“ konnte er noch „kommentieren“. Lautstark sogar. Jetzt ist das tabu. „Dabei haben wir im Großen und Ganzen ganz gute Schiedsrichter“, sagt Björn Cramer, der drei Jahre selbst an der Handball-Pfeife agierte, nun pausierte und in der kommenden Saison wieder den Schwarzkittel anziehen will. „Ich habe als Vertreter des Vereins halt die Vereinsbrille auf. Und da sind halt viele Entscheidungen, die man so oder so sehen kann.“

Mit dem letzten Saisonspiel daheim gegen den OSC Dortmund fängt irgendwie auch die Vorbereitung für die nächste Spielzeit an. Denn die alten und neuen Akteure des Verbandsligisten der Spielzeit 2019/2020 sind aufgerufen, ihre Songs für die Tore der nächsten Runde zu übermitteln – wenn es neue sein sollen. „Und dann muss ich sehen, ob die Umsetzung realistisch ist oder nicht“, so Cramer.

Lob vom Kontrahenten

Vor dem letzten Saisonspiel hat er übrigens kaum Erwartungen an die Mannschaft. Denn mit dem Erreichten ist er grundsätzlich zufrieden. Stark habe die Truppe angefangen, dann aber auch nachgelassen. „Allerdings haben wir uns gut konsolidiert, wie wir es als Ziel auch formuliert haben“, so Björn Cramer. „Ich hoffe nur, dass viele Fans zum letzten Spiel kommen und die Saisonleistung der Mannschaft so anerkennen. Das Team hat sich nach dem Abstieg zurück gemeldet. Das ist klasse.“

Ärger wegen seiner Musikauswahl hat es übrigens noch nicht gegeben – auch wenn die Gäste naturgemäß schlechter wegkommen als die gastgebende HSG. Beispiel der Feldverweis. Trifft es einen Gevelsberger, spielt er „Junge, komm’ bald wieder“. Dagegen klingt es beim Rot für die Gäste: „Kiss him goodbye“. „Mich hat sogar ein Gäste-Spieler mal abgeklatscht“, erinnert sich Cramer, „und er meinte: Geile Musik.“

Bericht: Heinz G. Lützenberger, Westf. Rundschau
Bild: Jens Pommerenke, airpictures.de

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