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Gevelsberg in letzter Viertelstunde mit einer enormen Energieleistung

Kaum einen der knapp 500 Zuschauer in der Halle West hielt es mehr auf den Sitzen. Völlig ausgepowert, aber offensichtlich noch mit klarem Handball-Verstand gingen die Akteure des Gastgebers in die letzten Sekunden des Spiels der Oberliga. Taktisch klug das Foul, die Zeit war abgelaufen, der letzte Freiwurf der Gäste brachte nichts mehr. Riesenjubel, als Schlusslicht HSG Gevelsberg-Silschede mit 20:19 (8:10) den Favoriten, der bis dato Rang zwei inne hatten, TSG Altenhagen-Heepen Bielefeld besiegt hatten.

Es waren Szenen, die sich der geneigte Handball-Freund vorstellen kann, wenn die eigene Mannschaft die Meisterschaft gewonnen oder den Klassenerhalt geschafft hat. Spieler, Betreuer, Vorstandsmitglieder, Freunde und Fans lagen sich überglücklich in den Armen. Was kaum jemand bis Mitte der zweiten Spielhälfte zu hoffen gewagt hatte, war eingetreten. Der Überraschungssieg des Underdogs.

Immerhin traten Mannschaften gegeneinander an, die völlig unterschiedlich Zielsetzungen haben und somit vom Personal her völlig unterschiedlich unterwegs sind. Gevelsberg-Silschede ist dabei, sich den Klassenerhalt zu erkämpfen, den Abstieg in die Verbandsliga zu vermeiden. Altenhagen-Heepen ist dagegen aus der 3. Liga gekommen und will dahin zurück. Ein Grund, warum HSG-Trainer Hans-Peter Müller von einem Unterschied von anderthalb Klassen sprach.

Und die Begegnung begann tatsächlich mit den zu erwartenden Rollenverteilungen. Bielefeld bestimmte die Partie, vor allem die Defensive hatte den Gevelsberger Angriff völlig im Griff. Über den Kreis ging gar nichts. Rafael Dudzcak ging an dem Abend folgerichtig leer aus. Überdies wusste Bielefeld die Gevelsberger Außen fast zu neutralisieren. So dauerte es satte 45 Minuten, ehe Sebastian Pagel seinen ersten Treffer erzielte – zum zweiten Ausgleich in dem Spiel aus Gevelsberger Sicht, zum 15:15. Es dauerte weitere neun Minuten, ehe der Außen auf der rechten Bahn, Leo Stippel, erstmals über einen eigenen Treffer jubeln durfte.

Gevelsberg musste zunächst das Heil mit dem vergleichsweise schwach bestückten Rückraum suchen. Die Ostwestfalen hatten sich schnell auf die Angriffe des Gastgebers einstellen können. Das wirkte auch auf die Einstellung der Gevelsberger. Denn vor der Pause sah es keineswegs nach diesem überraschenden Sieg aus – auch wenn zum Pausenpfiff es nur einen Rückstand von zwei Toren gab.

Doch mehr und mehr kämpfte sich Gevelsberg-Silschede ins Spiel, biss sich durch. Dazu merkte das Publikum, dass die HSG-Akteure die Unterstützung brauchten. Spätestens mit der ersten Gevelsberger Führung nach 48 Minuten und 50 Sekunden, als Fabian Kling endlich über Außen einen Treffer markierte, brodelte es in der Halle West, wurde die „Hölle West“ ihrer Bezeichnung gerecht. Bielefeld staunte, wirkte unsicher, erlaubte sich Fehler und disziplinarische Unzulänglichkeiten. Tiefpunkt war das üble Foul von Nils Prüßner gegen Christopher Temp (52.), welches ein glattes „Rot“ zur Folge an.

Überzahl nicht ausgenutzt

Selbst Gäste-Trainer Michael Boy ließ sich anstecken, meckerte, kassierte eine Zeitstrafe. Plötzlich stand Bielefeld nur noch mit drei Feldspielern auf dem Parkett. Gevelsberg agierte weiterhin mit sechs Athleten. Bei einer 19:17-Führung und noch knapp sieben Minuten Spielzeit wäre der Sieg eigentlich noch eine Formsache gewesen. Doch Rafael Dudzcak stand mit einem Fuß im Kreis beim Wurf, Fabian Kling erlaubte kurz darauf sich eine Fahrkarte. „In der Situation hatte ich befürchtet, wir schaffen nur noch ein Remis“, so Hans-Peter Müller. Tatsächlich kam Altenhagen auf 19:19 heran. Noch drei Minuten waren zu spielen. Schlimmer noch: Gevelsberg agierte plötzlich nur noch vier Feldspieler nach den umstrittenen Zeitstrafen gegen Dudzcak und Rauhaus. Doch es gab keinen weiteren Treffer, ehe Gevelsberg wieder vollständig war.

Nun markierte Temp das 20:19. Nur gut, dass im Gegenzug HSG-Keeper Patrick Huhn den Wurf von Marcel Ortjohann entschärfen konnten. Noch 95 Sekunden. Die Gastgeber wussten den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Nur in den letzten fünf Sekunden nicht, Bielefeld konterte, Rauhaus stoppte mit einem „normalen“ Foul den Gegenzug. Die Uhr zeigte 60:00, als Ortjohann den Freiwurf nicht setzen konnte . . .

Heinz-G. Lützenberger